Licht und Schatten auf der Buchmesse. Warum das Geschichtenerzählen eine Lösung ist.

Ich bin gerettet worden. Auf der Buchmesse. Dort wurde ich eingesperrt. Im Parkhaus. Als ich da abends um 09:00 Uhr ankam, irgendwo am Stadtrand (mit dem Taxi, letzter Shuttlebus fuhr um 08:00 Uhr Abends) war das Ding verriegelt und verrammelt und mein Auto (ganz alleine) mittendrin. (Natürlich wurde demgemäß das Auto eingesperrt, nicht ich.) Aber da stand ich. Im Stockdunkeln. Nachdem ich, im Glanz der Buchmesse, all die schillernden Titel und strahlenden Verlage angesehen hatte. Ich war wütend. Weil ich mich informiert hatte. "Das Parkhaus ist 24 Stunden geöffnet" hatte man mir gesagt. Dass man sich aber über einen Seiteneingang in ein stockdunkles Parkhaus in der Frankfurter Peripherie einklingeln muss, um dann irgendwie da raus zu finden, aus einem dunklen Labyrint, dass fand ich gruselig. Unzumutbar. Für eine Frau. Also habe ich mich beschwert.

Und ihr glaubt nicht, WIE mir geholfen wurde.

Nicht nur von dem afghanischen Taxifahrer, der mir, während wir das dunkle Parkhaus umkreisten um den Eingang zu finden, von seinen Kindern in Afghanistan erzählte. Vier Jahre und zehn Monate alt. Er fliegt sie nicht aus, weil es am Kabuler Flughafen zu gefährlich ist. Sagt er. Und seufzt. Sehr tief. Statt dessen fährt er 12 Stunden täglich Taxi und schickt Geld in die Heimat. Eine traurige Geschichte am Rand der Buchmesse. Eine reale Geschichte. Mitten in der Nacht. Ich konnte ihm nicht helfen. Er mir auch nicht. Ich gebe nur seine Geschichte weiter. Weil wir die kennen sollten. Voneinander. Die Geschichten. Denke ich.

Meine ging so weiter, dass mich das Sicherheitspersonal der Buchmesse gerettet hat. Eine junge, blonde Frau, der man, wie sie erzählt hat, vor kurzem, bei einer Schlägerei ein Büschel Haare ausgerissen hat. Und zwei Sicherheitsmänner, die mich in ihrer Streife mitgenommen haben und für mich in das Parkhaus "eingebrochen" sind. (Na gut, sie hatten Schlüssel. Aber die brauchten sie auch.) Einer hat sich mit zu mir ins Auto gesetzt und blieb auf dem Beifahrersitz, bis ich raus war, aus dem gruseligen Ding. Ehrlich, das war irrsinnig nett.

Man hat auf mich aufgepasst. Ich wurde gut behandelt, auf der Buchmesse.

Sehr gut, sogar. An dieser Stelle ein großes DANKE ! an alle, die beteiligt waren. Leider war das anscheinend eine exklusive Erfahrung. Es gab Kolleginnen, die sind gar nicht erst angereist. Weil sie sich, nach eigener Einschätzung, nicht sicher fühlten, dort. Jasmina Kuhnke-Mannel kann sich, nach ihrem öffentlichen Boykott der FBM wegen der Teilnahme rechter Verlage über mangelnde Presse-Aufmerksamkeit für ihren Debüt Roman "Schwarzes Herz" nicht beschweren. Ausgleichende Gerechtigkeit? Ihr Boykott wurde auf jeden Fall von einigen Kolleg:innen unterstützt.

Ich bin sehr für Freiheit. Für Meinungsfreiheit auch, aber die Freiheit zur Meinung des Einzelnen endet ganz genau da, wo die Existenz Anderer in Frage steht. Und wünsche mir nicht nur, dass alle Frauen, Männer, er, sie, es, sich so willkommen und gut behandelt fühlen dort, wie ich gestern Nacht, sondern auch, dass eine Frau Nachts gar keine Eskorte Sicherheitsmänner braucht, um ihr Auto aus dem Parkaus raus zu holen…

Es ist noch ein langer Ritt. (Afghanistan, übrigens, hat die Messe auch boykottiert. Nicht, um gegen die Präsenz rechter Verlage zu mobilisieren, sondern um auf die aussichtslose, entsetzliche Lage im Heimatland aufmerksam zu machen. Es gab zwar einen Stand, aber der bot keine Bücher an. Weil das Schreiben, des Lesen und das Lernen derzeit in Afghanistan nahezu unmöglich ist. Dem Afghanischen Boykott hat sich nimand angeschlossen. By the way…) Dafür fährt jetzt ein afghanischer Taxifahrer durch die Nacht. Und trifft eine Frau, die sich aus dem Parkhaus ausgeschlossen hat. Und jetzt eine neue Geschichte kennt. Eine, die auf der Buchmesse (leider) (noch) nicht erzählt wurde. Dafür hier. Denn ich bin mir ganz sicher:

Nur wenn wir uns unsere Geschichten erzählen, können wir Empathie entwickeln und aufeinander zugehen.

Deswegen war ich da. Auf der FBM. Weil mich das Geschichten erzählen dermaßen interessiert. So. Und weil das Happy End trotzdem in weiter Ferne liegt, für einige der Beteiligten, wünsche ich euch immerhin eine happy week. Wie immer gilt: Jeh mehr von einer Geschichte erfahren, desto wirksamer ist sie. Heißt: Teilt mich! Abonniert meine Geschichten! Dankeschön! Eure Mareile.

Zurück
Zurück

Das beste Heilmittel gegen die Nebenwirkungen der Pandemie. A story.

Weiter
Weiter

Toxische Netzwerke. Alle aussteigen, der nächste Krieg wird online angezettelt. Wir müssen da raus!