Dicke Dinger auf dem Amt.
Ich war heut auf'm Amt. Mich melden. Zum Leistungsbezug anmelden. Oder einfach: Mich arbeitslos melden. Im Winter wird nix gedreht und ein Weihnachtsmärchen hab ich diese Spielzeit auch nicht abgekriegt. Ich bin noch zu jung für die böse Hexe. Deshalb. Immerhin. Muss man ja auch mal drüber schreiben, über diesen Aspekt einer Arbeitnehmerinnenbiographie in der Unterhaltungsbranche. Bin bestimmt nicht die einzige Kollegin, die im Winter von den Vorräten aus einem lauten, bunten Sommer zehrt. Und spätestens Ende Dezember den Gang zum Amt antritt. Is aber immer wieder ein Knaller, dort. Alle sind voll auf Aggro und die Leute die da arbeiten sind zwar klar im Vorteil, die arbeiten ja offensichtlich, tatsächlich will mit denen aber sicher keiner tauschen, weil die kriegen alles ab.
"Hallo Papa, ja, ne, bin noch auf'm Amt, die Deppen hier kriegen es nicht hin mit meinem Geld". "Das kann doch nicht sein, dass sie meine Daten nicht gespeichert haben. SIE arbeiten hier für MICH, klar?!" (Gesprächsprotokolle, Wartezimmer, Amt).
Mein Fall ist auch voll kompliziert, weil ich hab im Moment keinen Perso, nur einen Wisch auf dem drauf steht, dass ich einen neuen Perso beantragt habe. Die Dame, die meinen Fall bearbeitet, hat einen riesigen Busen. Den hat sie auf dem Tisch vor sich abgelegt wie einen Fremdkörper. Die Tastatur hat sie weit von sich geschoben, hinter den Busen, ans obere Ende ihres Schreibtisches. Mit ausgestreckten Armen ruft sie meine Daten auf. Leider trägt sie keinen normalen Pulli oder so. Dann könnte man drüber weg sehen, über das Busending, dass da wie ein Haustier, eine warme, kuschelige Katze auf dem Tisch ausgebreitet liegt.
Tatsächlich trägt sie tiefes Dekolleté. Die Dame vom Amt. Eine Art Body. Es liegt also nicht an mir, dass ich da unentwegt drauf schauen muss, auf diese wabbeligen Dinger mit Schlitz in der Mitte, die von dem glänzenden Polyesterbodyteil zusammengehalten werden.
Sie will mich nicht rein lassen, das Tittenwunder. Ich soll nicht in den Wartebereich vorgelassen werden, weil: Ohne gültigen LICHTBILDausweis GEHT DAS NICHT. Sie macht mich auch ganz aggro, irgendwie steckt das auch an, diese unterschwellige Wutwelle die hier durch die Flure wogt. Die ganze Zeit muss ich mich total zusammen reissen, um nix fieses zu der Tittenfrau zu sagen. Frauen, die Frauen dissen, die sie wegen ihrer Körperlichkeit anmachen, obwohl sie es doch besser wissen, nämlich wissen, dass man da nix für kann, für so eine überquellende Weiblichkeit, das GEHT DOCH GAR NICHT! Das versuch' ich meinem inneren Maryreiliselbst dringend mitzuteilen, damit mein Äußeres, an einer Art Kasse stehendes und Einlass erwartendes Selbst jetzt bloß nix Doofes sagt.
Und irgendwann ist sie durch, die Frau mit den riesigen Brüsten. Sie hat telefoniert und beim Sprechen ist die Busenlandschaft auf dem Tisch vor ihr erzittert wie Wackelpudding und jetzt darf ich doch rein. Der Wisch wird akzeptiert, meine Existenz anerkannt, ich darf einen Raum weiter, darf bearbeitet werden und als ich da schon unterwegs hin bin, merke ich es:
Ich habe es geschafft. Ich war nicht gemein oder böse zu der Frau mit den viel zu großen Möpsen. Und ich weiss auch, warum: Die Möpse selbst, diese riesengroßen Dinger haben sie, nein, sie haben UNS davor bewahrt. Wie sie da so ungeschützt auf dem Tisch rum lagen. Ein höchstpersönlicher und sehr verletzlicher Teil dieser völlig fremden Frau. Zwei viel zu große, riesengroße Brüste, zusammengehalten von einem glänzenden Polyesterteil. Die haben uns beschützt. Sie vor meiner sinnlosen Gemeinheit und mich vor mir selbst. Wir vier zusammen waren stärker als jede Bürokratie.
Ich könnte trotzdem drauf verzichten. Auf die Mühsal mich dort an-und abzumelden. Es hat jedes Mal was demütigendes, egal, wie sehr man das vorher und nachher wieder verdrängt. Man kann froh sein, wenn man es im Ganzen unbeschadet schafft. Deshalb teile ich dieses Erlebnis heute gern mit Euch. Um zu sagen: Geht vielen (Schauspielern) hin und wieder so. Zum Glück dann ja auch wieder anders. Und solche wie meine Tittenfrau, die gibt es überall. Menschen mit einer wilden Schönheit, die zu erkennen glücklich macht.